Forest Leseprobe

Anna C. Naumann

FOREST

Liebe und Abenteuer
in
Licht und Schatten

 

1  FEUER

Sie geht in Schönheit wie die Nacht
So wolkenlos und sternenvoll.
Dunkel und Licht als starke Macht
Durchdringen sie in Dur und Moll.

Während der dichte Nebel Allegra vor den Blicken der anderen verbarg, die ihr langsam folgten, begann sie zu singen. Ihre helle Stimme durchdrang die Luft so mühelos, wie manche Sterne den dunklen nächtlichen Himmel mit ihren Strahlen durchfunkeln können. Der Morgen verabschiedete die Nacht. Neben dem Mädchen sprang die Wildkatze Chouette herum und es schien, als ob sie nach Allegras Melodie tanze, aber in Wirklichkeit war die kleine graue Katze nur darum bemüht, den großen Pfützen auf der Straße auszuweichen um ihre Pfoten trocken zu halten. Ein paar Tage vorher hatte es heftig geregnet. Vögel kamen näher, um der Musik zu lauschen aber natürlich nicht zu dicht, wegen der Katze – und einige Zweige alter Tannen raschelten rhythmisch im leichten Wind. Der ganze neblige Wald schien der magischen Musik zu lauschen, die sich zwischen den Lippen der bezaubernden jungen Frau entfaltete.

Keiner anderen aller Schönen
Gehorcht Magie wie dir.
Wie Melodien auf Wassern tönen
Klingt diese Stimme mir.

„Was machst du, Allegra, sei still. Es gibt Räuber und Schlimmeres in diesem Wald. Sie alle könnten dich hören und uns angreifen“, unterbrach Quinn, der inzwischen näher gekommen war, das Lied mit ängstlicher Stimme.
Plötzlich aus ihrem fabelhaften Traum gerissen, in den die Musik sie versetzt hatte, drehte sich Allegra herum und fixierte den Assistenten ihres Vaters, Quinn, und seine schreckgeweiteten Augen.
„Wo soll ich denn sonst singen? In der Stadt ist es nicht erwünscht und selbst hier im Wald scheint es schwierig zu sein“, antwortete Allegra, ärgerlich über die Unterbrechung. „Das ist nervig.“
„Quinn, schreien Sie die junge Lady nicht so an“, sagte Fofo, völlig außer Atem.
„Romantische Lieder in diesem mysteriösen Nebel zu singen, kann uns allen Unglück bringen“, flüsterte Quinn abergläubisch.
„Angst vor dem Übernatürlichen, Quinn? Blödsinn“, bemerkte Fofo mit einem feinen Lächeln zu Allegra, das sie nicht erwiderte.
„Romantische Lieder sind aufregend, das ist alles.“ Das Mädchen war nahe daran, die Geduld zu verlieren.
„Ich denke, sie schmelzen alle Urteilskraft aus deinem Gehirn heraus, sozusagen. Das kann nicht gesund sein“, informierte Fofo Allegra über seine Meinung, ohne dass sie ihn darum gebeten hätte.
Inzwischen erreichte Foster, Allegras Vater, die kleine Gruppe.
„Ich bin sehr beunruhigt über die Konsequenzen, die diese Lieder für die Entwicklung deines gesunden Menschenverstandes haben werden, meine Tochter.“
Allegra rollte die Augen nach oben und drehte sich weg. Immer dasselbe. Sie verdarben ihr jeden fröhlichen Moment und versuchten, sie immerzu in schlechte Laune zu versetzen.
„Glücklicherweise werden wir bald bei Tante Paula ankommen, sie ist nicht so ein Superlangeweiler wie du, Papa“, maulte Allegra, die die Besuche bei der alten Tante immer sehr genoss, die eine sehr inspirierende Lady war.
Plötzlich hörte Chouette auf herumzuhopsen, stellte ihre Ohren hoch und begann ihr Fell aufzusträuben, bis sie aussah wie ein irgendwie zarter Igel. Offensichtlich hatte sie etwas Merkwürdiges im Wald gerochen oder gehört.
„Was ist los, Chouette?“ wollte Allegra wissen, obwohl es ihr klar war, dass Katzen nicht sprechen können.
Einige Minuten später wurde der Grund für Chouettes Verhalten für alle sichtbar. Nach der nächsten Kurve sollte eigentlich eine Forstherberge auftauchen, die Einzige weit und breit. Aber das passierte nicht. An dem Punkt, wo die Gaststätte normalerweise immer war, erblickten die erstaunten Augen der vier Personen ein enormes Feuer. Diese unerwartete Aussicht machte alle für einen Moment sprachlos. Was war denn hier los? Nachdem sie sich von dem ersten Schock erholt hatten, drückten drei von ihnen ihre verschiedenen Verdachtsmomente aus.
„Rebellen!“ schrie Fofo.
„Die dunkle Kraft!“ flüsterte Quinn.
„Wilderer!“ meinte Allegra bestimmt.
„Warum sollten Wilderer eine Kneipe anzünden? Das ergibt keinen Sinn!“ lachte Fofo.
Allegra blickte bewegungslos in das Feuer, mit einem unbeschreiblichen Ausdruck von Horror tief in ihren wunderschönen Augen, die im Moment nur aus zwei großen schwarzen Pupillen zu bestehen schienen und hielt Chouette fest an ihr Herz gepresst, die außerordentliche Angst vor Feuer zeigte, wie das Katzen im allgemeinen so an sich haben.
„So weit ich sehen kann, gibt es hier keinen Beweis eines Verbrechens. Es könnte einfach ein Unfall gewesen sein, diese Holzbauten können schon durch einen Funken vom Herdfeuer in Brand geraten“, bemerkte Foster schließlich, offensichtlich um seinen gesunden Menschenverstand erneut unter Beweis zu stellen.
Aber ein unheimliches Geheul von Wölfen, gefolgt vom Geräusch eines Schusses, machte die Situation noch seltsamer. Voller Unruhe klammerte sich Chouette an Allegra, und das Mädchen versuchte sie zu beruhigen, indem sie ihr graues Fell streichelte.
„Wie ich gesagt habe – Wilderer.“
Plötzlich löste sich ein Mann aus dem Feuer und begann in die Richtung der vier Menschen zu laufen. Er brannte lichterloh wie eine Fackel.
„Hilfe!“ war seine einzige Reaktion.

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