LOS ASTRÓNOMOS

DIE STERNGUCKER – LOS ASTRÓNOMOS

Heute ist Sternguckerabend im Hotel. Wir treffen uns um 9 Uhr abends auf der Terrasse, um den Sternenhimmel zu beobachten.
Ich freue mich schon darauf, denn ich liebe es, in die nächtlichen Sterne zu gucken, auch wenn ich wenige Sternbilder beim Namen nennen oder sie gar identifizieren kann.
Es ist ein warmer, sanfter Abend und wir können die Jacken im Hotelzimmer lassen. Ich weiß nicht, ob es vor allem wegen des Sektes ist, der ausgeschenkt wird, jedenfalls sind viele Urlauber erschienen und die Stimmung ist fröhlichgelöst. Zwei junge Frauen führen uns in die Geheimnisse der Sterne ein. Allerdings fangen sie mit dem Mond an, erklären wie er entstanden ist, hat sich in Urzeiten abgesplittert von der Erde, und suchen ihn ganz verzweifelt am Himmel, um ihre Kenntnisse zu demonstrieren. Kein Mond weit und breit zu sehen. Die Gäste machen sich auf Mondsuche, vermuten sogar zunächst im Schein einer Laterne, die vom Hotel verdeckt wird, Frau Luna, was unbändiges Gelächter auslöst, als der Irrtum entdeckt wird. Nun schlage ich vor, mal zu googlen, ob der Mond überhaupt schon aufgegangen ist. Es stellt sich heraus, dass er erst nach Mitternacht aus dem Erdschatten auftaucht. Da können wir lange suchen. Obwohl ich ein ausgesprochener Mondfan bin, finde ich es gut, dass er im Moment nicht scheint, weil so die Sterne heller zu leuchten vermögen.
Die Sterneerklärermädels geben sich alle Mühe, haben sich aber offensichtlich erst vor einigen Stunden der Astronomie gewidmet. So sind sie noch unbeleckt von allzu viel Wissen. Sie recken ihre Handys in die Luft, den Sternen entgegen und erklären uns, dass dann auf dem Handy – mit Hilfe einer Sternenwebsite – das Sternbild erscheint, was sozusagen hinter dem Handy am Himmel leuchtet. Es ist ein absurder Anblick. Die Menschen stehen da und gucken nicht etwa in den Himmel, sondern in ihre Handys, weil da die Sterne viel heller flimmern, denn wegen der Lichtverschmutzung, Hotelanlage, können wir die wirklichen Sterne nur ganz schwach leuchten sehen.
„Da oben leuchtet das Sternbild Waage,“ meint die Erklärerin Isabel,“Der helle Stern Antares ist in der Mitte.“
„Glauben Sie an Sternbilder?“ höre ich eine sonore Stimme neben mir sagen, die zu einem dunkelhaarigen Herrn gehört, der an einer Pfeife saugt.
„Warum nicht, wenn`s auch nicht stimmt, macht es doch Spaß,“ entgegne ich und gebe zu, dass ich oft vor Horoskopen sitze, ohne sie allzu ernst zu nehmen.
„Ich selbst bin Jungfrau,“ meint er und zeigt auf ein viereckiges Bild, mit Mühe zu erkennen.
„Wer sich das alles nur überlegt hat,“ meint ein anderer, „in dieses Wirrwar von Gefunkel eine Art Ordnung zu bringen ist doch gar nicht so einfach.“
„Und ziemlich willkürlich.“
Die Menschen sind überrascht. Sie nehmen den nächtlichen Himmel ansonsten kaum noch wahr. In den Städten sieht man keinen Stern mehr vor lauter künstlichem Licht, was das Himmelslicht auslöscht. Später erfahre ich, dass es hier auf den Kanaren viele Sternenliebhaber gibt. Das sauberste und klarste Firmament Europas. Von der UNESCO als Starlight Reserve zertifiziert.
Isabel und Laura erzählen uns, dass sie aus Hamburg stammen und nach dem Abitur erstmal ein Jahr auf den Kanaren für Hotels im Bereich Animation arbeiten. Dafür wird man nicht ausgebildet, sie bieten an, was sie können und wissen – oder auch erst lernen. Spanischkurse, Tischtennis, Aquafit, Schwimmen, Wandern und vieles mehr – auch das Sternegucken.
„Sie sind ganz allein hier im Urlaub?“ fragt mich der Pfeifenmann.
„Ja, Sie doch auch,“ meine ich.
„Für mich zählt nur noch Erholung,“ meint er tiefsinnig.
Er möchte offensichtlich, dass ich sein Geheimnis herausbekomme aber dazu habe ich keine Lust heute Abend.
„Ich würde gern die Sterne mal zählen,“ kokettiere ich.
„Weißt du wieviel Sternlein stehen dort am blauen Himmelszelt …“ singen wir plötzlich alle wie auf Verabredung.
Da passiert es, wir denken alle, wir haben uns verguckt, aber dort am südlichen Himmel erscheint eindeutig eine bunte Sternschnuppe. Sie schillert in vielen Farben, wie ein Stück Regenbogen, bevor sie verlischt. Noch nie haben wir von einer bunten Sternschnuppe gehört, aber wir haben es alle mit unseren eigenen Augen gesehen.
„Das ist ein Zeichen für mich,“ meint der Mann mit der Pfeife ganz aufgeregt. „Mir hat das mal eine Wahrsagerin prophezeit, wenn ich eine bunte Strernschnuppe sehe, werde ich mich wieder verlieben.“ Zu diesen Worten schaut er mich an, wegen der Dunkelheit kann ich den Ausdruck seiner Augen nicht sehen. Mir allerdings steht der Sinn nicht nach Verlieben, ich möchte mich hier einfach nur erholen. Erholen übrigens auch von gescheiterten Liebesdingen.
Jetzt verlöschen plötzlich alle Lichter im und um das Hotel. Der Himmel erstrahlt in einem unglaublich hellen Sternenglanz, so dass wir alle verblüfft sind. Schade, dass das nur zu sehen ist, wenn das Licht, das Menschen in der Nacht veranstalten, wegfällt.
„Machen die das jetzt uns zuliebe, damit wir die Sterne besser sehen können?“ frage ich.
„Nein, nein, sagt Isabel, das ist Stromausfall. Passiert ab und zu einmal hier.“
Ich spüre den Geruch einer Pfeife in meiner Nähe. Der Mann nutzt den Schutz der Dunkelheit, um mir näher zu kommen. Ich gehe auf sein Anerbieten nicht ein und er ist Manns genug, um das zu akzeptieren. Dieser Dialog geschieht ganz ohne Worte.
Als der Strom wieder einfällt, gehen wir alle auf unsere Zimmer. Ich setze mich noch einmal auf meine Terrasse und google mein Sternbild, den Skorpion. Da entdecke ich, dass Antares ein heller Stern im Skorpion ist und das Bild, was die Sternmädels uns als Waage „verkauft“ haben in Wirklichkeit der Skorpion ist. Die drei Scheren rechts, dann der Stern Antares als Kopf sozusagen und dann der lange Körper mit dem steil aufgerichteten Schwanz. Ich löse meinen Blick vom Handy und schaue hinauf in den Himmel. Es ist kein Irrtum möglich. Da steht riesengroß der Skorpion. Ich bin beeindruckt. Im Norden kann ich mein Sternbild nie am Himmel leuchten sehen, der Skorpion kommt dort kaum über den Horizont. Und hier steht er gigantisch vor mir, ich werde ihn jeden Abend bewundern können und ich frage mich, ob das etwas zu bedeuten hat.

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